Heute möchte ich etwas sehr Persönliches mit euch teilen. Seit dreieinhalb Jahren lebe ich mit einer chronischen Krankheit: ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome), ausgelöst durch eine schwere COVID-Erkrankung. Diese Krankheit hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Nach anfänglichen Fortschritten - eine Zeit lang ging es mir viel viel besser - hatte ich in den letzten Monaten einen Rückfall, der mich mit starken Symptomen konfrontiert hat. Doch trotz dieser Herausforderungen bin ich hoffnungsvoll und zuversichtlich, dass ich durch die neuen, vielversprechenden Therapien, die ich gefunden habe, langfristig Heilung finden kann. Es wird Geduld brauchen, aber ich bin bereit, diesen Weg zu gehen.
Die Symptome von ME/CFS sind vielfältig, doch am meisten beeinträchtigt mich die extrem geringe Energie. Es ist schwer, dieses Erschöpfungsgefühl zu beschreiben, das oft mit einer nie endenden Müdigkeit verwechselt wird. An guten Tagen startet mein Energielevel vielleicht bei 50%, aber ich darf nie unter 20% fallen, sonst riskiere ich einen sogenannten „Crash“, der mich für Tage oder sogar Wochen ausser Gefecht setzt. Dieses Gefühl der tiefen Erschöpfung ist weit mehr als die normale Müdigkeit, die man vielleicht durch einen stressigen Job oder Schlafmangel kennt. Es ist, als ob mein Akku niemals vollständig aufgeladen wird und ich ständig mit einem minimalen Energievorrat operiere.
Diese Krankheit bringt auch ständige Schmerzen und einen täglichen Balanceakt mit sich. Oft muss ich auf vieles verzichten, was mich früher ausgemacht hat. Yoga zu unterrichten, eine Leidenschaft, die mir so viel gibt, erfordert nun eine präzise Planung und viel Unterstützung. Doch trotz der Herausforderungen mache ich es weiterhin, denn Yoga gibt mir Energie und erfüllt mich auf eine Weise, die kaum in Worte zu fassen ist.
Ich möchte mit meiner Geschichte kein Mitleid erregen, sondern Bewusstsein für unsichtbare Krankheiten schaffen und zwei wichtige Erkenntnisse teilen, die mir in dieser Zeit besonders bewusst geworden sind.
1. Die Balance zwischen Akzeptanz und Hoffnung: Heilung jenseits der toxischen Positivität
Ich bin der festen Überzeugung, dass Heilung möglich ist, aber es braucht mehr als nur positives Denken. Zu oft höre ich Sätze wie "Du musst nur positive Energie rausschicken, dann kommt alles zurück" oder "Alles fängt mit dir an". Diese Sprüche können zwar gut gemeint sein, aber sie ignorieren oft die Komplexität und Schwere der gesundheitlichen Herausforderungen, mit denen viele von uns täglich kämpfen. Heilung braucht mehr als nur positive Gedanken – sie erfordert auch Geduld, Akzeptanz und die Bereitschaft, Hilfe und Unterstützung anzunehmen. Es ist wichtig, dass wir realistische Erwartungen an uns selbst haben und uns die Erlaubnis geben, unsere Grenzen zu akzeptieren, ohne uns dafür zu verurteilen. Indem wir uns auf diese Weise selbst unterstützen, können wir unsere Grenzen langsam erweitern und schrittweise Fortschritte auf dem Weg zur Genesung machen.
2. Yoga für alle: Wie du trotz gesundheitlicher Einschränkungen profitieren kannst
Yoga ist eine Praxis, die für alle da ist, unabhängig von den körperlichen oder gesundheitlichen Einschränkungen. In der heutigen Welt, in der Yoga oft hauptsächlich mit der Asana-Praxis – also den körperlichen Übungen – in Verbindung gebracht wird, sieht man auf Plattformen wie Instagram meist perfekte Posen und flexible Körper. Dies suggeriert oft, dass Yoga nur für besonders fitte Menschen zugänglich ist. Doch das ist weit von der Wahrheit entfernt. Auch wenn du mit gesundheitlichen Herausforderungen lebst, kannst du Yoga praktizieren und davon profitieren. Es muss nicht immer um die körperlichen Übungen, die Asanas, gehen. Atemübungen, Meditation und Achtsamkeit sind integrale Bestandteile des Yoga, die jedem zugänglich sind und enorme Vorteile bringen können.
Wenn der Körper beeinträchtigt ist, gibt es viele Möglichkeiten, Yoga dennoch in den Alltag zu integrieren:
Atemübungen (Pranayama): Sanfte Atemtechniken wie die tiefe Bauchatmung oder die Wechselatmung können helfen, den Geist zu beruhigen und das Nervensystem zu regulieren, ohne den Körper zu belasten. Die tiefe Bauchatmung: Setze oder lege dich bequem hin, lege eine Hand auf den Bauch und atme langsam durch die Nase ein. Spüre, wie sich der Bauch hebt, und atme dann langsam wieder aus. Diese Übung beruhigt den Geist und entspannt den Körper, ohne ihn zu belasten.
Meditation: Eine regelmässige Meditationspraxis, selbst wenn es nur wenige Minuten am Tag sind, kann einen tiefgreifenden Einfluss auf das Wohlbefinden haben. Sie fördert Achtsamkeit und unterstützt die emotionale Resilienz. Ein einfaches Beispiel ist die geführte Achtsamkeitsmeditation. Suche dir eine ruhige Umgebung, setze (oder lege) dich bequem hin und konzentriere dich auf deinen Atem. Wenn Gedanken aufkommen, lass sie einfach vorbeiziehen und kehre sanft zur Beobachtung deines Atems zurück. Schon wenige Minuten täglich können einen positiven Einfluss auf dein Wohlbefinden haben.
Yin Yoga und restorative Yoga: Diese sanften Yogaformen beinhalten langgehaltene, passive Dehnungen und sind besonders wohltuend für Menschen mit chronischer Erschöpfung. Die Praxis hilft, Spannungen zu lösen und den Körper tief zu entspannen, ohne dabei viel Energie zu verbrauchen.
Yoga Nidra (Schlaf des Yogis): Diese geführte Entspannungstechnik ermöglicht es, in einen Zustand tiefer Ruhe und Regeneration einzutauchen. Es ist eine gute Methode, um den Körper und Geist zu revitalisieren, selbst wenn man körperlich stark beeinträchtigt ist.
Yoga lehrt uns, mit Mitgefühl und Achtsamkeit zu leben, sowohl für uns selbst als auch für andere. Gemeinsam können wir eine unterstützende und verständnisvolle Gemeinschaft aufbauen, die alle einschliesst. Ich hoffe, dass meine Geschichte euch inspiriert und dazu beiträgt, das Bewusstsein für die Herausforderungen chronischer Krankheiten zu schärfen. Denkt daran, dass Yoga für jeden da ist, unabhängig von den Umständen.
Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, meine Geschichte zu lesen. Passt auf euch auf und bleibt achtsam.
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